Gefühle – unsere inneren Unterstützer

Eigene Emotionen zu beeinflussen bedeutet, keine Selbstmanipulation, sondern Gefühle anzunehmen und so zu handhaben, dass sie der Situation angemessen sind (statt zu dramatisieren, auszuleben oder zu verharmlosen). Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen und Gefühle der Angst, Gereiztheit, Enttäuschung oder Kränkung abzuschwächen und gleichzeitig positive Gefühle der Freude, des Stolzes oder Erfolges zu verstärken. Dies hilft bei der Überwindung von Rückschlägen oder belastenden Situationen. Als Führungskraft und im privaten Bereich ermöglicht dies Klarheit und Ruhe auch in Krisen- und Stresszeiten.

Die Wahrnehmung und offene Annahme ihrerGefühle ist der wesentlichste Anfang!

Um diese Wahrnehmung zu schärfen und damit Gefühle als innere Unterstützer zu verwenden, die Aufzählung der Grundgefühle.

Angst

Angst ist das Grundgefühl für Gefahrensituationen oder Situationen, die als Gefahr wahrgenommen werden. Angst ist ungerichtet und objektlos, wohingegen Furcht gegen etwas gerichtet ist.

Der erste Schritt mit Angst sinnvoll umzugehen, ist, deren Existenz anzuerkennen. Als starkes Gefühl verwirrt sie den Verstand und macht es schwierig zu hinterfragen, wofür sie steht. Besteht Klarheit wofür sie steht, wandelt sie sich in Furcht und kann mit Mut angegangen werden. Ein gewisses Maß an Angst treibt zu besseren Leistungen, höherer Produktivität und Kreativität an. Die Dosis macht das Gift, geringe Dosis bringt Tatkraft und Energie, zu viel Angst blockiert. Ein Weg um mit Angst umzugehen- Angst als innerer Unterstützer:

  • Anerkennung der Angst
  • Klarheit der Ursache, wofür die Angst steht; damit wird aus einem diffusen Angstgefühl eine konkrete Furcht
  • Unter Zuhilfenahme des Willens als ersten Gegenspieler zur Angst werden Gegenmaßnahmen überlegt
  • Durch das Wissen der Ursache und mögliche Gegenmaßnahmen kommt der zweite Gegenspieler Mut und besänftigt die Angst. So wird die Dosis der Angst leistungsfördernd und damit kann die Angst unterstützend angenommen werden.

Dieses Muster, um positive Veränderungen einzuleiten, findet man auch im Buddhismus (vgl. E. Fromm: Haben und Sein. Die seelische Grundlage einer neuen Gesellschaft):

  • Wenn der Mensch leidet (Fühlen)
  • Sich des Leidens bewusst wird (Bewusstsein)
  • Die Ursache des Leidens erkannt hat und (Verstand, Erkenntnis)
  • Eine Chance sieht, sein Leiden zu überwinden und (Motivation)
  • Dann erkennt, was er selbst dafür tun muss. (Ziel, Tatkraft)

Wut

Wut ist das Gefühl der Grenzsetzung -zur Wehr setzen und Grenzveränderung, das Gefühl der notwendigen Klärung. Auch Wut kann, selbst wenn sie in Aggression mündet, Antrieb sein, allerdings wenn sie übertrieben wird, endet sie in Zerstörung.

Das erste Gefühl bei einem inneren Widerstand ist der Ärger, dessen Steigerungsform ist der Zorn. Ärger ist immer die Folge von etwas, etwas in uns wurde enttäuscht. Ärger sammelt Energie und vermehrt sie durch inneres Aufschaukeln des Ärgers. So wie Eifersucht der Spiegel des eigenen Minderwertigkeitsgefühls ist, so ist der Ärger meist unsere Reaktion auf eine Kränkung. Unser Selbstwertgefühl wurde verletzt oder wir haben unser Ziel nicht erreicht, unsere Bedürfnisse konnten nicht befriedigt werden. Ärger sollte von einem selbst hinterfragt werden: Worum geht es mir wirklich? Ist es die Sache Wert sich aufzuregen? Könnte ich anders reagieren?

Unterhalb des Grundgefühls Wut ist der Hass eines der stärksten Gefühle überhaupt. Hass wächst in der Mehrzahl der Fälle aufgrund einer starken Gewalt-, Trennungs-, oder Verlusterfahrung, die den Betroffenen überfordert. Der Hass endet, wenn er vollständig ausgelebt wird, in der Selbstzerstörung.

Ebenso zum Grundgefühl Wut gehört der Mut. Mut entsteht meistens, wenn Furcht besteht oder droht. Ohne die mögliche oder schon bestehende Anwesenheit von Furcht handelt es sich nicht um Mut, sondern um Tatkraft.

Rache tut gut, kann aber niemals den zugrunde liegenden Schmerz am Verlust oder am zugefügten Leid lösen. Außerdem führt diese Art der Abrechnung wiederum zu Gegenreaktionen und eine endlose Spirale der Gewalt und Gegengewalt kann sogar Jahrhunderte andauern.

Traurigkeit

Traurigkeit ist das Gefühl der Bindung oder der Sehnsucht nach Bindung. Es ist das einzige negative Grundgefühl, welches wir offen zeigen mögen und gesellschaftlich auch dürfen, und trägt auch mehr zur Anteilnahme unserer Umgebung bei als alle anderen Gefühle. So kann der sekundäre Gewinn durch Traurigkeit sehr hoch sein, d.h. ich bin traurig um mir die Anteilnahme meiner Umgebung zu sichern. Wut geht nach außen, Traurigkeit nach innen. Sie dient zum Schutz vor Aggression, ermöglicht nachdenken und Zu-sich-selbst-kommen. Traurigkeit bedeutet einerseits ein recht hohes Maß an psychischer Reife solange sie im fördernden Maße bleibt, und hat andererseits auch die Neigung, sich andere Grundgefühle einzuladen. Traurigkeit über Arbeitsplatzverlust kann Angst (keine Sicherheit), Zorn (Warum ich?), Scham (Ich kann nichts) oder auch Glück (endlich bin ich den Chef los) mitziehen.

Trauer ist die aktive Folge von Traurigkeit, kein Gefühl sondern eine Form von Arbeit. Traurigkeit kann somit über Trauer abgearbeitet werden. Zu diesem Trauerprozess gehören fast immer Wut und Verachtung, sie sollten als üblich und nachvollziehbar, als willkommener Abschluss der Trauerarbeit angenommen werden. So kann Energie nach außen wirken und staut sich nicht im Inneren auf. Zuversicht entsteht und kämpft frohen Mutes für die Zukunft. Alleinige Hoffnung ohne Trauerarbeit kann zur Resignation führen. Durch das Festhalten an den Dingen die belasten, ohne sich damit auseinanderzusetzen und dem zuzustimmen, ohne dem Mut sich zu öffnen, bleibt die Belastung. Verzweiflung entsteht und endet in der Lähmung, gleichbedeutend mit Resignation oder im Hilfeschrei. Sollte dieser Hilfeschrei keinen Ausweg bieten, ergibt sich eine starke Basis der Selbstvernichtung.

Ekel

Ekel ist das Gefühl für unsere körperliche Unversehrtheit, für unseren Schutz indem wir Gefahren meiden. Eine Aufforderung an uns selbst, von etwas fern zu bleiben.

Überraschung

Überraschung soll unsere Konzentration auf ein neues Ziel oder einen neuen Inhalt lenken.

Neugier

Interesse ist das Gefühl der Hinwendung, somit bestärkend in unserer Absicht. Je stärker unsere Selbstsicherheit oder das Gefühl der Sicherheit, desto stärker kann sich unsere Neugierde entwickeln. In der kindlichen Note nennen wir es Neugier, in Verbindung mit Gier wird es zur Leidenschaft oder gar Sehnsucht. Bekommen wir Angst vor dem Ziel, entstehen große Hindernisse, wird es immer mühsamer oder dauert der Prozess zu lange, verschwindet die Neugier und wir geben auf! Im Beziehungsfeld ist der Gegenspieler der Neugierde die Gewohnheit, der Dolchstoß einer Beziehung.

Ebenso ist das Staunen unterstützend, weil wegbereitend für Interesse, mit einer initiierenden Funktion des Hinterfragens und Beschäftigen mit einer Sache.

Scham

Scham ist das Gefühl der Grenzwahrung im Körperlichen. Scham schützt unseren Körper. Scham tritt auf, wenn zwischen unserer Selbstvorstellung und den Erwartungen ein Unterschied besteht. Die Erwartungen können unsere eigenen sein, die von anderen, oftmals beides. Es geht um die Abweichung von der Norm oder von einem Ideal das von uns selbst produziert wird. Dies unterliegt zum größten Teil unserer Bewertung! Und nun kommt das Selbstbewusstsein ins Spiel: Je geringer ihr Selbstbewusstsein, desto größer ihre eigene Abweichung (aufgrund ihrer eigenen zutiefst subjektiven Bewertung!!) und damit ihr Gefühl der Minderwertigkeit! Diese Selbstentwertung (wir entwerten uns aufgrund unserer eigenen Bewertung- keine Objektivität gegeben!) kann in Selbstvernichtung (Resignation, Verzweiflung) münden. Verlegenheit ist die abgemilderte Form von Scham und ist eine bereitwilligere Hinzubewegung zur Norm.

Schuld

Schuld ist die negative Form von Verantwortlichkeit. Die positive Form ist die Zuständigkeit. Wir können nur schuldig sein, wenn etwas in unserer Verantwortlichkeit lag und wir auch Aktivität gezeigt haben im Sinne einer Täterschaft. Wir fühlen immer dann Schuld, wenn wir durch unser Tun eine Wert- oder Normvorstellung verletzt haben. Schuld soll uns so die Möglichkeit geben, Fehler zu erkennen und sie nicht mehr zu wiederholen.

Menschen mit geringem Selbstwertgefühl übernehmen selten Schuld und finden gerne Schuldige. Verantwortungsgefühl ist die Erwachsenenform, mit eigener Schuld umzugehen. Entschuldigung dient auch zur Entschuldung und kann nur wirken im Sinne der Vergebung, im Sinne der Beendigung, wenn zwei Dinge enthalten sind:

  • Ich habe einen Fehler gemacht- Ebene der Vergangenheit- die Reue
  • Ich werde es nicht mehr tun- Ebene der Zukunft- das Versprechen

Scham und Schuld werden dann zum Problem, wenn sie einen Allgemeincharakter annehmen und nicht mehr auf konkrete Taten, Erlebnisse oder Erfahrungen bezogen werden können. Statt ihrem beabsichtigten Hinweis zur Änderung werden sie nicht nur nutzlos, sondern schädlich. Auch keineswegs unterstützend ist, aus Scham eine Schuld herzustellen. Hier kann ein „Doppelfehler“ eintreten: Aus einer eigenen falschen Bewertung erzeugen wir Scham und wandeln diese dann in Schuld, womit jegliche Besserung unmöglich wird. Junge Mädchen verfolgen ein Schönheitsideal der Dürre und sehen sich dann auch noch als schuldig an, so „fett“ zu sein. Arbeitnehmer werden grundlos vor anderen kritisiert: Scham entsteht und wird dann in Schuld umgewandelt, obwohl es keine Inhalte gibt um sich schuldig zu fühlen. Durch die Verknüpfung von zwei voneinander unabhängigen Dingen (es folgt aus einer eigenen, falschen Bewertung eine eigene, falsche Verurteilung), kann keine Korrektur erfolgen. Solche falsche Ursache- Wirkungs- Beziehungen müssen sofort hinterfragt werden, um diese wieder zu zerlegen, und einzeln zu bearbeiten.

Freude

Freude tritt nach positiv bewerteten Erlebnissen auf. Im Gegensatz zu Glück braucht die Freude nicht die Mitwirkung oder Anwesenheit von anderen Menschen. Wenn Sie zufrieden sind, können Sie sich freuen. Wenn Sie Unzufriedenheit, Neid und Missgunst lenkt, kann keine Freude entstehen. Über die Dankbarkeit ist es einfach Zufriedenheit zu erlangen.

Dankbarkeit ist sich selbst verstärkend: Je dankbarer ein Mensch ist, desto mehr Grund zur Dankbarkeit erkennt er. Es ist eine Hinzu- Bewegung zu den Dingen, die man besitzt, und ist daher ein effizienter Gegenspieler der Unzufriedenheit und des Neides. Dankbare Menschen sind somit zufriedener, glücklicher mit mehr Freude, weil sie das positive in ihrem Leben sehen und nicht immer nach dem Negativen suchen: „Das Bessere ist immer Feind des Guten.“ Es kann  i m m e r  etwas Besseres geben, wenn Sie es so sehen wollen. Somit ist die permanente Unzufriedenheit sichergestellt und Sie können sich nur selten freuen. Geld kann zwar nicht glücklich machen, weil ihm die menschliche Seite fehlt, es kann uns aber Freude vermitteln. Allerdings nimmt der Grenznutzen ab, d.h. je mehr Geld man hat, desto weniger kann es Freude vermitteln: Das erste Auto, der erste Fernseher/ PC, das erste Handy waren Grund zu großer Freude.

Begeisterung ist die Steigerung von Freude. Begeisterung ermöglicht uns ausdauernd an einem Thema zu arbeiten und dabei Freude zu empfinden. Im Gegensatz zur Leidenschaft, die uns auch zu einem Thema hinzieht, allerdings dabei Leiden schafft. Fördern Sie Ihre Begeisterungsfähigkeit, so wie Sie diese bei Kindern erleben können!

Ein weiteres Hilfsmittel ist Stolz. Er entsteht, wenn wir auf eigene Leistung schauen, die mit großer Mühe ein für uns tolles Ergebnis gebracht hat. Es geht nicht um die Beurteilung anderer, sondern um die eigene Bewertung. Stolz ist auch ein hervorragender Indikator in wie weit wir unsere eigenen oder die Ziele anderer verfolgen. Empfinden wir nach einer hervorragenden Leistung keinen Stolz, dann haben wir das Ziel eines anderen erreicht, nicht das eigene!

Die Wahrnehmung und Mitgestalten ihres Innenlebens ist neben den sozialen Verbindungen zu anderen Menschen die wichtigste Ressource in ihrem Leben. Wenn Sie ständig nach idealen äußeren Bedingungen streben, könnten Sie auch Ihre Aufmerksamkeit auf Dinge richten, die jedenfalls im eigenen Einfluss liegen und das ist ihr Innenleben!

© Bild: Stefan Jezl

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